Vom verpassten Termin und, was das mit Wahrnehmung zu tun hat

von Manuela Reichmann (Kommentare: 0)

Letzte Woche Mittwoch war ich am Packen für die Fahrt zu einem Workshop, als das Telefon klingelt: wo ich denn bleibe? Von Anfang an hatte ich den Workshop fälschlicherweise als Donnerstagabend beginnend in meinem Gehirn abgespeichert, den Zug entsprechend gebucht usw. Zwischenzeitlich gab es einige Detailinfos zur Veranstaltung. Doch alle entsprechenden Infos habe ich geflissentlich überlesen.

Das, was mir hier passiert ist, ist ein gutes Beispiel für das, was unser Gehirn eigentlich permanent macht.

Um mit der Flut von Informationen, Eindrücken und Erfahrungen klar zu kommen, hat es eingebaute Filter:

Durch Generalisierung kann das Gehirn unterschiedliche Ereignisse unter einem gemeinsamen Nenner abspeichern (in meinem Fall: „Workshops gehen immer von Donnerstagabend bis Sonntag“ 😊). Des Weiteren versucht sich das Gehirn durch erlernte Handlungsroutinen und Erfahrungswerte zu entlasten. Als Anfänger kostet uns das Autofahren all unsere Energie und Aufmerksamkeit, während es mit Fahrpraxis wie von selbst geht.

Der menschliche Verstand kann nur eine bestimmte Anzahl an Informationen bewusst verarbeiten und schließt deshalb bestimmte Teile aus der Wahrnehmung aus, es tilgt und löscht also Informationen, blendet sie aus. Ansonsten würde unser Nervensystem völlig überfordert sein und durchdrehen.

Dann können wir auch noch die Realität etwas verrücken, um unserer Fantasie und Kreativität Raum zu geben. Die rosa Brille der Verliebten ist ein positives Beispiel wie diese Verzerrung wirkt.  

Alle diese Wahrnehmungsfilter arbeiten automatisch und unbewusst. Wir nehmen immer nur einen Ausschnitt der Welt wahr, bilden also unser ganz eigenes Modell der Welt und kreieren so ständig blinde Flecke.

Die Gefahr ist, dass wir in unserem Modell der Welt stecken bleiben. Dass, wie in meinem Beispiel, wichtige Informationen nicht zu uns durchdringen, wir Gelerntes nicht mehr in Frage stellen, andere Meinungen keinen Platz haben. Aus schwierigen Erfahrungen können dauerhaft dunkle Wolken werden, durch die wir in die Welt blicken. Durch diese dunklen Wolken dringt Sonniges nicht mehr durch.

Wir kennen das sicher alle auf die ein oder andere Weise:

  • Der Partner, der nie dies oder das tut (während wir gleichzeitig übersehen, was er tut).
  • Den Anruf, den wir immer wieder vergessen, weil er uns unangenehm ist.
  • Liebe Menschen, die wir übersehen, weil uns ja sowieso niemand mag.
  • Das positive Feedback, das hinter der einen Kritik verschwindet usw.

Für meinen Partner und mich war ein „Aha-Satz“ zu Beginn des Paar-Coachings, dass wir eine neugierige Haltung auf die Welt des Anderen einnehmen sollten. Unsere Unterschiedlichkeit wurde plötzlich zum spannenden Forschungsraum.

Coaches und Therapeuten können dabei unterstützen, Sichtweisen zu hinterfragen, Perspektivwechsel anzuregen, hemmende Glaubenssätze aufzuspüren und zu transformieren.

Wachheit, Neugierde und Selbstreflektion sind Schlüssel, um sein Modell der Welt immer wieder neu in Frage zu stellen und blinden Flecken auf die Schliche zu kommen. Für persönliches Wachstum und Weiterentwicklung.

 

 



Bildquellen: Bild 1, 2, 3 www.pixabay.com; Bild 4 Manuela Reichmann

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